Die Masken der Serenissima

Mehr als sechs Monate im Jahr war es den Venezianern gestattet, sich zu maskieren, nicht nur in Zeiten des Karnevals. Ihre Identität war (ausgestattet mit Kapuzenumhang, Mantel, Maske, Dreispitz – mit Tabarro und Bauta) kaum mehr auszumachen, das galt für Männer und Frauen gleichermaßen. Anonym konnten sie sich in Venedig bewegen, die Spielcasinos besuchen, ihren amourösen Abenteuern nachgehen. Im Karneval spielten aber auch Verkleidungen aus der Tradition der Commedia dell’Arte eine Rolle. Das vorliegende Buch bringt – erstmals auf Deutsch – ein Verzeichnis des 18. Jahrhunderts mit 70 Arten, sich zu verkleiden. Dazu gehörten nicht nur Arlecchino und Pantalone, sondern auch die Gnaga (mit Männern in Frauenkleidern) und die Figur des Mattaccino, der mit Essenzen präparierte Eier auf Kurtisanen und sonstige, neugierig aus dem Fenster schauende Personen schleuderte.


Danilo Reato
Die Masken der Serenissima
Aus dem Italienischen übersetzt von Ursula Sharma
91 S., 54 Abb., Softcover
16 €
ISBN 9783981687095


Venedig, Masken, Karneval, Commedia dell’Arte, Traditionspflege, Mode


Die Zunft der Maskenhersteller
Masken und Verkleidungen in Venedig
Mattaccino
Wilder Mann
Bauta
Larva oder Volto
Moreta oder auch Moretta
Gnaga
Maske aus Kleid und Zindel und Kobolde
Pestarzt
“Fischer aus Chioggia”
Bernardon
Sior (Herr) Tonin Bonagrazia
Pantalone
Pulcinella – wie Tiepolo ihn sah
Das Maskentreiben der Venezianer im 18. Jahrhundert – ein außergewöhnliches Dokument

Scherz, Normverletzung, Verlangen nach Anonymität und Flucht aus der Wirklichkeit waren also die grundlegenden Bestandteile des Karnevals von Venedig im 18. Jahrhundert. Ein Mittel, die Unwägbarkeiten der Existenz abzuwehren, bestand darin, dass man die Traurigkeit seines Daseins in einer unüberlegten Sucht nach Vergnügen ertränkte, hinter einer dünnen Membran aus Pappmaché das Elend einer lasziven und zügellosen Welt versteckte und Familien, die zu ruhmreichen, tausendjährigen Geschlechtern gehörten (samt ihres Besitzes, der von den Ahnen ererbt war) zu bestehen aufhörten. Hier ist der Grund für den Erfolg der Masken zu suchen. Im freizügigen Venedig regierte eine gewisse Zügellosigkeit, insbesondere was Laster und die Liebe anging. Damen und Galane (cicisbei), gepuderte Höflinge und aufreizende Kurtisanen, geschult in der käuflichen Liebe, liefen überall herum, vermischten sich mit Arlecchino, Colombina und Pantalone. Diesen Figuren war jedoch für immer ihre goldonische Unschuld genommen, da sie in ihre ursprüngliche Laszivität, wie sie aus der Commedia dell’Arte-Tradition bekannt ist, zurückfielen. Casanova war Zeuge dieser Zeit, und die letzten Repräsentanten des alten Systems, bejahrte Zensoren und müde Magistrate, sahen kraftlos dem Verfall der Staatsmacht zu, die auf ihrem vergangenen Ruhm weich gebettet war. Sich zu maskieren, war also nötiger denn je. Und die Geschichte der Masken soll nun erzählt werden. (Danilo Reato)